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Swisscom: umtriebige Datenkrake

Der Schweizer Telecomkonzern stösst im Zuge der Digitalisierung in verschiedenste neue Geschäftsfelder vor und wird bereits als «Schweizer Datenkrake» bezeichnet. Patrick Probst

© Max Spring

Kraken gehören zur Gattung der Oktopusse. Sie besitzen acht Arme mit Saugnäpfen. Kraken zeichnen sich durch ihr hochentwickeltes Nervensystem aus und haben sehr gute Linsenaugen. Sie sind, weil sie kein Innenskelett haben, sehr beweglich. Ausserdem ist ihr Gehirn äusserst lernfähig.

Die Krake wird oft als Metapher für Google verwendet. Den riesigen Saugnapfarmen aus dem Silicon Valley kann sich im Internet niemand entziehen. Es heisst, die Google-Datenkrake wisse schon heute mehr über uns als wir selber.

Und weil Google nicht mehr bloss eine intelligente Suchmaschine ist, sondern das gesamte wirtschaftliche ABC durchdekliniert, ist daraus inzwischen eine Holding namens Alphabet geworden, mit Firmen wie Google Fibre (Internet- und Kabeldienste), Life Science (Gesundheitsinvestitionen) oder der Ideenfabrik Google X (selbstfahrende Autos).

Effizient und lernfähig wie eine Krake ...

Ein ähnliches Unternehmen wie Google gibt es auch in der Schweiz. Man muss es nicht unter aufstrebenden Start-up-Firmen suchen. Es handelt sich um eine Gesellschaft, deren Anfänge aufs Jahr 1852 zurückgehen: die schon fast altehrwürdige Swisscom.

Wie Google hat Swisscom ihr Geschäft diversifiziert, ihre Saugnapfarme dringen in immer neue Felder vor. Das «Irrgarten-Problem» der Digitalisierung scheint Swisscom mit der Effizienz und Lernfähigkeit einer Krake zu bewältigen.

«Ihre heutige Marktmacht verdankt die Swisscom nicht ihrer ehemaligen Monopolstellung, sondern ihren klugen strategischen Entscheidungen, in der Vergangenheit wie in der Gegenwart», sagt Giorgio Pardini, Leiter Telecom/IT bei syndicom. «Wir können stolz darauf sein, dass ein Service-public-Unternehmen wie die Swisscom die digitale Zukunft so erfolgreich mitgestaltet.» Vor nicht allzu langer Zeit verdiente der Konzern unter dem Namen PTT noch Geld mit Telegraf und Telefax. Heute lässt Swisscom selbstfahrende Autos durch die Strassen rollen, ist im Gesundheitsmarkt tätig, will Stromnetze intelligent machen oder steigt mit Coop zusammen in den E-Commerce ein. Der Konzern verwandelt sich in atemberaubendem Tempo.

Einen grossen Coup landete Swisscom zum Herbstanfang mit einer noch namenlosen strategischen Werbeallianz. SRG und Ringier sind die illustren Partner. Swisscom will ihr Geschäftsfeld ausweiten und die Technologie sowie Millionen von Nutzerdaten in die Allianz einbringen, unter anderem jene von Swisscom-TV. Gemeinsam wollen die drei Partner im personalisierten Werbemarkt den grossen Plattformen dieser Welt Paroli bieten.

Europaweit der Schnellste

Kein anderer europäischer Telecomanbieter hat sein Angebot so sehr ausgeweitet und sich so stark von seinem Kerngeschäft entfernt wie die Swisscom («Le Temps», 10. 6.). Trotzdem scheint das Unternehmen dem bundesrätlichen Auftrag treu zu bleiben, der lautet: «Entwicklung und Vermarktung von auf Netzinfrastruktur basierenden Diensten in den konvergierenden Märkten Telekom, IT, Rundfunk, Medien und Unterhaltung.» Swisscom erarbeitet 10 Prozent des Umsatzes ausserhalb ihres Kerngeschäfts Telefonie, Internet und Internet-TV. Weit mehr als der Gigant Google, der finanziell hauptsächlich von seiner Suchmaschine abhängig ist.

Das Quasi-Monopol

Eine Krake, die sich stetig in neue Geschäftsfelder ausbreitet, provoziert den Ärger der Mitbewerber und Sanktionen der Wettbewerbskommission (Weko). Die Weko hat kein anderes Unternehmen öfter und höher gebüsst als die Swisscom. Die beiden jüngsten Beispiele: Im Juli verhängte die Weko eine Strafzahlung von 143 Millionen Franken gegen Swisscom, weil sich diese über die Töchter Teleclub und Cinetrade in eine marktbeherrschende Position bei der Übertragung von Schweizer Fussball- und Eishockeyspielen gebracht habe.

Im Oktober setzte das Bundesverwaltungsgericht ein Weko-Bussgeld gegen die Swisscom auf 186 Millionen Franken nur geringfügig herab. Die Swisscom habe, so die Urteilsbegründung, ihre marktbeherrschende Stellung zu überhöhten Preisen für ADSL-Breitbanddienste missbraucht und damit Wettbewerber wie Sunrise diskriminiert.

Wettbewerber unter Druck

In der Tat, die Marktmacht der Swisscom und ihre Zusatzerlöse aus neuen Geschäftsfeldern drohen die Mitbewerber an die Wand zu drücken, nicht zuletzt im Telecommarkt. Salt respektive die vormalige Orange hat bereits vor zweieinhalb Jahren einen grösseren Stellenabbau angekündigt und seither umgesetzt. UPC Cablecom hat im Februar diesen Jahres den Abbau von 250 Stellen angekündigt, Sunrise im September den Abbau von 165 Arbeitsplätzen.

Alte Arbeitsplätze abbauen, dann neue schaffen?

Die Erschliessung neuer Märkte und der stetige Wandlungsprozess haben aber auch Folgen für die Swisscom selbst. Das Unternehmen will sich künftig noch stärker auf die Digitalisierung ausrichten und hat am 6. November Restrukturierungen angekündigt, die 2016 zu einem «leichten Stellenabbau» führen werden. Mit dem Aufbau der drei neuen Geschäftsbereiche «Verkauf und Dienstleistungen», «Produkte und Marketing» und «Digital Business» will die Swisscom mehr Raum für Innovationen schaffen und sich konsequenter an die Digitalisierung im Alltag anpassen.

Bisher sind bei Swisscom mehr Arbeitsplätze geschaffen worden. Auch für Arbeitskräfte in schrumpfenden Arbeitsmärkten wie der analogen Telefonie bieten die neuen Geschäftsfelder Chancen. Pardini sagt: «Aus Sicht von syndicom ist es entscheidend, dass sich die Angestellten durch Aus- und Weiterbildungsangebote rechtzeitig für neue Aufgaben qualifizieren können, sei es für neue technologische Anforderungen oder in ganz neuen Berufsfeldern.»

Zuverlässige Sozialpartnerin

Pardini hebt insbesondere die Personalplanung der Swisscom (s. Kasten links) unter Einbezug von syndicom hervor. Diese Planung stelle sicher, dass der Wandel im Arbeitsmarkt von den Sozialpartnern möglichst früh antizipiert und somit Stellenabbau vermieden werden könne. Ohnehin sei Swisscom eine sehr zuverlässige Sozialpartnerin, mit einem soliden GAV und Sozialplan sowie einer starken Pensionskasse. «Ausserdem schüttet Swisscom jedes Jahr die Hälfte ihrer Dividenden in die Bundeskasse aus.»

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