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Die Netze sind frei ...

Mit der Veröffentlichung des Fernmeldeberichts des Bundesrates im Oktober 2014 ist die Diskussion über die Netzneutralität neu lanciert worden. Leider fand das Thema in der Öffentlichkeit bis heute wenig Resonanz, obgleich die Auswirkungen von grosser Reichweite sind.

 

Das Internet ist ein Verbund von Netzwerken für den Transport von Daten. Es ermöglicht den weltweiten Austausch von Datenpaketen unter den InternetnutzerInnen. Mittlerweile stellen grosse Datenpakete wie etwa Videodateien die Netzbetreiber vor grosse Herausforderungen. Wenn zu viele Nutzer gleichzeitig grosse Datenmengen herunterladen, können die Übertragungsleitungen überlastet werden und der Datenfluss verlangsamt sich.

Übertragungskapazität steigern

Netzbetreiber können Datenstau durch zwei Vorgehensweisen vermeiden. Einerseits lässt sich durch den Ausbau der Leitungen und die Einführung neuer Technologien (namentlich Glasfasertechnologie, FTTx) die Übertragungskapazität erhöhen. Die Swisscom und andere Provider forcieren solche Bestrebungen. Allerdings ist der Ausbau des Netzes zur Steigerung der Kapazität mit hohen Investitionskosten verbunden. Dennoch würde der Netzausbau technisch die gleich schnelle Übertragung sämtlicher Datenpakete garantieren.

Die zweite Möglichkeit besteht darin, dass sich eine Netzbetreiberin gegen die «Neutralität» des übertragenden Netzes entscheidet und bestimmte Datenpakete gegenüber anderen bevorzugt. Beispielsweise könnten Mails mit voller Geschwindigkeit übermittelt werden. Wer hingegen grosse Datenpakete oder Konkurrenzprodukte versenden will, müsste für die volle Übertragungsgeschwindigkeit eine zusätzliche Gebühr bezahlen, oder die Datenübermittlung würde willkürlich blockiert.

Die grossen Internetdienstleister (Internet Service Provider, ISP) möchten die «Netzsouveränität» über ihre eigenen Netze behalten. Sie wehren sich deshalb bis heute mit Erfolg gegen eine gesetzliche Verankerung der Netzneutralität.

Freiheit und Investitionssicherheit

Aus gewerkschaftspolitischer Sicht ergeben sich zwei grundsätzliche Problemfelder. Einerseits muss die «Universalität» des Worldwide Web auch in Zukunft gewährleistet sein. Das bedeutet, dass folgende Prinzipien in das neue Fernmeldegesetz aufgenommen werden müssen: Jedes angeschlossene Gerät muss mit jedem anderen Gerät frei kommunizieren können (End to End). Jede Netzbetreiberin muss ihr Bestmögliches beitragen, die Daten so effizient wie möglich fliessen zu lassen (Best Effort). Nicht zuletzt muss jeder Netzbetreiber das Internet weiterentwickeln, eigene Dienste und Inhalte anbieten können, ohne jemanden um Erlaubnis bitten zu müssen (Innovation with­out Permission). Diese Grundprinzipien gilt es zu festigen.

Anderseits ist es Tatsache, dass die Investitionen in neue elektronische Netzwerke mit hohen Kosten verbunden sind. Die Investitionen in den Breitbandausbau belaufen sich in den nächsten Jahren je nach Schätzungen auf über 15 Milliarden Franken, allein Swisscom investiert weit über eine Milliarde jährlich in den Ausbau des Glasfasernetzes. Investitionen in die Netzinfrastruktur sind für die Zukunft der schweizerischen Volkswirtschaft von zentraler Bedeutung. Deshalb braucht es zum einen Investitionssicherheit und Anreizsysteme für die Unternehmungen und zum anderen die Garantie eines freien und offenen Internets.

Stand der Debatte

In den USA ist die Debatte über die Netzneutralität seit 2003 im Gange. Bis jetzt sind alle Bestrebungen, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern, gescheitert. In der EU werden seit 2009 Vorschriften erlassen und der Gesetzgebungsprozess schreitet fort.

Im Rahmen der geplanten Teilrevision des Fernmeldegesetzes (FMG) verlangte Nationalrat Baltha­sar Glättli in einer Motion, die Netzneutralität gesetzlich zu verankern. Der Bundesrat empfahl in seiner Stellungnahme, die Motion abzulehnen.

In der Zwischenzeit haben sich die grossen ICT-Unternehmen Swisscom, Sunrise, UPC Cablecom, Orange und der Verband ­Swisscable auf einen Verhaltenskodex geeinigt. Sie garantieren den Nutzern, dass Inhalte, Dienste, Anwendungen, Hard- und Software nach ihrer Wahl benutzt werden können, dass keine Dienste oder Anwendungen gesperrt werden und die Informations- und Meinungsfreiheit nicht eingeschränkt wird. Der Verhaltenskodex ist im Grundsatz positiv zu würdigen, er ersetzt aber nicht eine gesetzliche Regelung zur Netzneutralität.

Auf die Politische Agenda

Die Diskussion um die Netzneutralität betrifft die zwei Kernbereiche Telecom/IT und Medien der Gewerkschaft syndicom. Deshalb muss die Netzpolitik auf unsere gewerkschaftspolitische Agenda. Die Informations-, Meinungs- und Pressefreiheit sowie die Urheberrechte sind Teil dieser Diskussion. Fragen der Vorratsdatenspeicherung und Netzsperren müssen kritisch betrachtet werden. Die Informations- und Meinungsfreiheit sind zu gewährleisten. Es ist unsere Pflicht, uns auf diese Veränderungen vorzubereiten, damit Chancen für unsere Mitglieder erschlossen und Risiken minimiert werden. Die Netzneutralität dient der Stärkung unserer freiheitlich-demokratischen Grundwerte.

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